12 May - 11 June 2017
Sehnsuchtsort E D E N - Ort des Widerspruchs
Iris Bodenburg - Ausgewählte Werke
Kreuzkirche Dresden
Exposé zur Ausstellung
Wohnparadiese laden ein sich neu zu möblieren, Schlemmerparadiese locken mit Genüssen für den Gaumen und Wellnessparadiese versprechen nicht weniger als die körperliche Rundumerneuerung. Das kommerzielle Spiel mit den ungestillten Sehnsüchten der Menschen blüht, und es blüht umso mehr, als die genannten, wohlfeilen Angebote diese Sehnsüchte nicht wirklich zu stillen vermögen. Iris Bodenburg will den reichen Gehalt der biblischen Erzählung retten, indem sie das abgegriffene und vielfach missbrauchte Wort vom Paradies meidet und stattdessen von E D E N spricht. Der Titel ihrer Ausstellung gibt den Namen des mythischen Gartens leicht verfremdend in vier Großbuchstaben wieder. E D E N bleibt jedoch auch für die Künstlerin Chiffre für einen Sehnsuchtsort, der ihr von Kindheit an vertraut ist und der doch immer vor ihr liegt: bleibend als unerreichbar erfahren ruft er sie gerade dadurch immer neu zu Aufbruch und Wachstum.
Die Bilder der Künstlerin erzählen deshalb vom Akt des Schaffens selbst wie vom Reichtum des Geschaffenen. Die sich brechende Welle spricht von der Urkraft des Wassers, die üppige Vegetation von der Vielfalt der sich wiegenden Blumen und Gläser, wie auch von der Standhaftigkeit der Sträucher und Bäume. Stier und Pferd geben Zeugnis von der Würde, die der Schöpfer auch den Tieren eingestiftet hat. Der Menschen sieht sich gerufen diese Vielfalt zu bewahren und sie weiter gedeihen zu lassen, einer stets größeren Lebendigkeit entgegen. Dazu muss er als Mann und Frau in der Vielfalt des Lebendigen seinen Ort zu finden, die ihm gemäße Aufgabe erkennen und sich auf den Weg machen, sie zu erfüllen.
Im Nachempfinden der Weisheit, die in der biblischen Erzählung steckt, nimmt Iris Bodenburg auch jene Seite des Gartens in den Blick, die gemeinhin übersehen wird. Leben ist auch in EDEN ein Leben unter dem Ernst der Entscheidung. In ihr tritt die ambivalente Qualität menschlicher Freiheit vor Augen, einer Freiheit, die nicht nur die Gelegenheit zu selbstbestimmter Entfaltung bietet, sondern auch die Möglichkeit enthält, sich in einer selbstfixierten Ungebundenheit als Geschöpf zu verfehlen. Wo dies geschieht, verliert der ideale Lebensraum des Gartens seinen Zauber. Er wandelt sich vom Sehnsuchtsort zu einem Ort des Widerspruchs. Der in den Bogen der Ausstellung integrierte Blick auf einen Torrero, dessen kampferprobte Eleganz die Zuschauer auf den imaginären Rängen unterhält, dem Stier jedoch den Tod bringt, zeigt die gestörte Harmonie der Schöpfung ungeschönt. Das Bild spricht von einer Lebensordnung, deren Verkehrtheit aus dem Wunsch nach Selbstdarstellung und Dominanz erwächst. Die an der Kreatur verübte Gewalttat wird deshalb zu einer Anklage, die auch das prächtig geschmückte Gewand des Kämpfers nicht übertönen kann.
Mit ihren in Aquarell und Mischtechnik ausgeführten Gemälden lädt Iris Bodenburg ein, sich der weiten Bandbreite des Lebens zu stellen und die Augen vor jenen Widersprüchen nicht zu verschließen, die Urlaubs-, Einkaufs- und Schlemmerparadiese ausblenden. Dass das Geheimnis des Lebens trotz aller Gefahr bewahrt wird, weil Gott selbst die Lust an seiner Schöpfung nämlich noch immer nicht verloren hat, ist die offensichtliche und doch geheime Botschaft, die der Betrachter in den Werken der Künstlerin entdecken kann. Diese biblisch bezeugte, unverbrüchliche Zusage scheint im Reigen der Sujets auf, denen Iris Bodenburg sich verschrieben hat. Vom Vertrauen auf diese Zusage kündet jedoch - noch bevor die Malerin zum Pinsel greift - schon das Material, das sie ausschließlich verwendet. Neben der bald kräftig und nachdrücklich, bald zart und flüchtig eingesetzten Aquarellfarbe ist dies vor allem der Malgrund, der der Farbenpracht aller Gartenszenen Halt gibt: Seltenes Himalayapapier, das in einem aufwendigen Verfahren aus Gebirgsseidelbast gewonnen wird und das aufgrund seiner Beständigkeit üblicherweise dazu dient, die heiligen Schriften Nepals festzuhalten.
Prof. Dr. Regina Radlbeck-Ossmann
Theologin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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